Mädn

Ein Dorf im „ Mensch ärgere dich nicht „ Fieber
Eine Thiendorferin gewinnt im Klubhaus der Autobahngemeinde
den Sachsen-Cup.


Die Spielbretter sind angerichtet: Sven Kretschmer konnte sich in Thiendorf über
100 Starter für den Sachsenpokal im „ Mensch ärgere dich nicht „ freuen.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere gestand vor kurzem im ARD Morgenmagazin, dass er beim Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel so richtig die Sau rauslässt. Das dürfte seine Chancen bei der nächsten Bundestagswahl beträchtlich erhöhen. Denn de Maiziere ist CDU-Abgeordneter im Bundestagswahlkreis 156, zu dem auch Thiendorf gehört. Und die Thiendorfer sind eine der Mensch-ärgere-dich-nicht-verrücktesten Gemeinden Deutschlands. Am vergangenen Samstag richteten sie zum dritten Mal die Sachsenmeisterschaft aus. 100 Spieler würfelten im Klubsaal an 25 Brettern und schmissen einander nach Herzenslust raus.

Unser Turnier ist eigentlich aus einer Bierlaune heraus entstanden“, erzählt Organisations-Chef Sven Kretschmer. Der 28-jährige Thiendorfer fand zu Weihnachten 2008 in einer Schrankecke ein paar alte Spielfiguren, setzte sich mit seinen Kumpels vom Jugendklub ans Brett, und alle fingen sofort Feuer. „Warum sollte man sich nicht mal gemeinsam mit dem ganzen Dorf ärgern?“, fragten sich die jungen Leute im Anschluss, und schon war die Idee für ein Turnier geboren. Bereits beim ersten Mal kamen 64 Teilnehmer zusammen, später stieg die Zahl der Brettspieler sogar auf 128.

Ich will heute Sachsenmeister werden“, sagt Andreas Grimm gut gelaunt. Grimm stammt aus dem kurpfälzischen Wiesloch, wo seit zehn Jahren Deutsche Meisterschaften und die Spaßweltmeisterschaft im Mensch-ärgere-dich-nicht ausgetragen werden. Als Veranstalter wolle er bei diesen Wettbewerben nicht antreten, sagt der Verwaltungsangestellte aus Baden-Württemberg. Deshalb sei der Ehrgeiz heute umso größer. Sein Lieblingsbrettspiel habe nur zu etwa 40 Prozent mit Glück zu tun, schwört Grimm, und zu 60 Prozent mit Strategie. Er macht aus dem Erfolgsrezept auch kein Geheimnis. Mit dem ersten „Pöppel“ so schnell wie möglich losrennen, während man die anderen Figuren in der Nähe des Startfeldes stehen lässt. Damit vermeide man die Konstellation, dass kurz vorm Ziel eine nach dem anderen rausgeworfen wird.

Mensch ärgere dich nicht“ ist in seiner modernen Form etwas mehr als hundert Jahre alt. Als Urvater gilt das indische Brettspiel Pachisi. In den Wintermonaten 1907/08 erfand der Münchner Josef Friedrich Schmidt neue, einfachere Regeln, und schon bald wurde „Mensch ärgere dich nicht“ zum populärsten Gesellschaftsspiel Deutschlands. Die vom Erfinder gegründete Firma Schmidt Spiele sitzt heute in Berlin und hat die Markenrechte auf den Namen inne, so dass Meisterschaften nur mit Genehmigung der Berliner durchgeführt werden dürfen. Dafür bekommen die Veranstalter dann Bretter und Spielfiguren gestellt.

Matthias Schenkel hat mit 15 Minuten von allen 100 Teilnehmern die schnellste Vorrunde absolviert. Der Stölpchener spielt von Beginn an bei den Thiendorfer Turnieren mit. Er sei zwar noch nie über die zweite Vorrunde hinausgekommen, dennoch mache ihm der Wettbewerb riesigen Spaß. Auch Inge Hübner ist mit Feuereifer bei der Sache, obwohl ihre Chancen schlecht stehen. Die Thiendorferin muss ihr Spiel nach den vorgegebenen 45 Minuten abbrechen, obwohl noch nicht alle Figuren auf den Zielfeldern stehen. „Dann ärgere ich mich heute eben ein bisschen“, lacht sie.

Organisations-Chef Sven Kretschmer spielt beim heimischen Turnier natürlich nicht mit. Er hat seine Mensch-ärgere-dich-nicht-Meriten bereits im vergangenen Jahr eingefahren. Da gewann er als Trainer mit Bruder Felix und drei weiteren Thiendorfern in Wiesloch die Mannschaftsweltmeisterschaft. Beim Sachsen-Cup führt Kretschmers Mutter Bettina die Glückssträhne fort – sie wird Turniersiegerin. „Damit sind wir aktuell die erfolgreichste Mensch-ärgere-dich-nicht-Familie Deutschlands“, freut sich der Thiendorfer. WM-Ausrichter Andreas Grimm ist, obwohl es mit dem Titel nicht geklappt hat, ebenfalls bester Stimmung. Er träume davon, in Wiesloch einmal vier deutsche Spitzenpolitiker an ein Brett zu bekommen: einen schwarzen, einen roten, einen gelben und einen grünen. Auch Sven Kretschmer will vorm nächsten Turnier in Thiendorf bei der Politik anklopfen. Es wäre doch ein Ding, sinniert er, wenn Thomas de Maiziere als Schirmherr und am Brett so richtig die Sau rausließe.


SZ vom 11.März 2013

 

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